Zusammenfassung der Ereignisse am Ätna
Die derzeitige eruptive Phase des sizilianischen Vulkans Ätna wird wohl noch länger in Erinnerung bleiben. Zu ungewöhnlich sind die Vorkommnisse, die sich in den letzten Tagen ereignet haben. Die Bilder und Videos, besonders von der Explosion am vergangenen Donnerstag mit einigen Verletzten, gingen um die Welt. Wir möchten hier die Ereignisse der letzten Tage einmal zusammenfassen.
Was ist bisher passiert?
Mittwoch 15.03.2017
Beginn des Paroxysmus in den Morgenstunden. Derartige Ereignisse sind am Ätna keine Seltenheit, kamen in den letzten Jahren unregelmäßig alle paar Monate vor. Der letzte Ausbruch dieser Art endete sogar erst vor rund zwei Wochen am 2. März.
Ein „Paroxysmus“ ist eine spontane, deutliche Steigerung der Vulkanaktivität. Am Ätna kündigt sich ein Paroxysmus meist durch einen schnell steigenden vulkanischen Tremor an. Auch dies war am vergangenen Mittwoch der Fall:
Bereits kurz danach kann man auf den zahlreichen Webcams schon die ersten Lavafontänen beobachten. Die ausgeworfenen Lavafetzen erreichen eine Höhe von bis zu (geschätzt) 500 m.
Wie meistens in den letzten Jahren findet auch dieser Ausbruch am Südostkrater (SEC) bzw. Neuen Südostkrater (NSEC) statt, genauer gesagt im Sattel zwischen diesen beiden Kratern. Der aktive Vent lag schon beim Paroxysmus zwei Wochen zuvor genau an dieser Stelle, hier scheint sich ein Trend anzubahnen: SEC und NSEC „wachsen zusammen“…
Donnerstag 16.03.2017
Der Tag an dem sich die Ereignisse überschlagen: an der Basis des SEC-Kraters öffnet sich eine seitliche Öffnung, aus der Lavaströme in südliche/südöstliche Richtung auf die Crateri Barbagallo (Parasitär-Vulkankegel der Eruption 2002/03) und das Valle del Bove zufließen.
So etwas ist eigentlich ein relativ harmloses Spektakel, das gerne von Vulkantouristen aus nächster Nähe beobachtet wird. Ähnliche Ereignisse haben auch wir schon aus unmittelbarer Nähe gefilmt und fotografiert. Normalerweise besteht hierbei, bis auf die enorme Hitzestrahlung des Lavastroms, keine Gefahr.
So sind auch an diesem Tag mehrere Touristen, Bergführer und Wissenschafter des INGV Catania vor Ort und beobachten auf ca. 2800 m üNN die Lavaströme.
Auf dem nächsten Bild ist die seitliche Öffnung an der Basis des NSEC gut zu erkennen (rotes Glühen im Hintergrund – zum Vergrößern bitte klicken):
Im Zuge des Fortschreitens der Lavaströme kommt es zu einer spontanen phreatomagmatischen Explosion: die enorme Dampfentwicklung durch den Kontakt von ca. 1000 ° C heißer Lava und Schmelzwasser reißt unzählige Lavabrocken in die Höhe. Die umherfliegenden Fetzen verletzen ca. 10 Personen, die in unmittelbarer Nähe zum Lavastrom stehen! Eine Gruppe von Personen kann sich in eine Pistenraupe flüchten, deren Scheiben durch die Geschosse teilweise zerstört werden.
Da niemand einen Schutzhelm trägt – was bei einem Lavastrom nach bisherigen Erfahrungen auch nicht unbedingt nötig war – werden einige Personen am Kopf getroffen und ziehen sich (zum Glück nur) Platzwunden zu. Zerstörte Scheiben, kaputte Skier und Brillen, Kleidungsstücke mit Brandflecken… die Schäden sind vergleichsweise harmlos und man kann von Glück reden, dass unter den 10 betroffenen Personen keine Schwerverletzten sind!
Durch Zufall ist auch ein Filmteam der BBC vor Ort und hat die Dampfexplosion auf Video festgehalten. Diese Bilder gehen anschließend um die Welt, vom „Killervulkan Ätna“ ist sogar vereinzelt die Rede.
Aber: diese Explosion war nicht vorhersehbar und vergleichbare Ereignisse gab es in den letzten Jahrzehnten am Ätna auch nicht!
Der Bericht der BBC auf youtube:
Dr. Ulrich Küppers, unser Vulkanologe im Team, meint zu der Explosion:
Auf der Basis des schlechten Videomaterials der BBC kann man noch nicht erklären, was genau passiert ist und die phreatomagmatische Explosion ausgelöst hat. Sicherlich hatte sich kein Druck unter dem Lavastrom aufgebaut. Viel wahrscheinlicher hatte sich Wasser unter einer Lage aus Schnee oder Eis angesammelt. Als die Lava sich durch diese Lage durchgeschmolzen hatte (und relativ schnell absackte), kam es zur explosiven Reaktion. Zudem zeigt sich einmal mehr, dass auch wir Wissenschaftler von gewissen Situationen überrascht werden können und unsere Schutzkleidung immer anhaben sollten, auch wenn man „nur“ zum Anschauen da ist.
Freitag 17. & Samstag 18.03.2017
Einige der Lavaströme erreichen das Valle del Bove. Für große Beachtung sorgen pyroklastische Ströme, die durch das Abbrechen der Flowfront in steilem Gelände entstehen.
Im Zuge des andauernden Ascheauswurfes am (N)SEC und der mehrfach auftretenden pyroklastischen Ströme im Valle del Bove mit der einhergehenden Aufwirbelung von Asche und Staub wird am 18.03. der Flughafen von Catania zeitweise geschlossen.
Sonntag 19.03.2017
Der vulkanische Tremor ist zwar am Sinken, doch die Ausbruchsphase dauert weiter an. Wie lange der Ausbruch noch weiter geht, kann derzeit nicht gesagt werden.
Montag 20.03.2017 (Nachtrag)
Die eruptive Phase am NSEC scheint zu Ende zu gehen. Der Tremor ist auf niedrigem Niveau angekommen und auf den Webcams ist lediglich Entgasung an den Gipfelkratern zu erkennen. Die südöstliche Flowfront Richtung Valle del Bove ist nach wie vor aktiv, dies kann aber ein Verzögerungseffekt sein (Lavastrom wird nicht mehr gespeist, fließt an der Front aber noch weiter)?! Hier Bilder von heute (20.03.), auf denen man auch schön die Ablagerungen der pyroklastischen Ströme im VdB erkennt:
Donnerstag 30.03.2017 (Nachtrag)
Der Lavastrom fließt immer noch, weiterhin gespeist aus der effusiven Öffnung an der Basis des NSEC! Derzeit ist nicht absehbar, wie lange diese Eruptionsphase noch andauert. Der derzeit aktive Lavastrom fließt Richtung südwest zwischen Monte Frumento Supino und Crateri Barbagallo.
Was bedeutet das für unsere zukünftigen Reisen?
Explosive Ausbrüche und Lavaströme sind am Ätna keine Seltenheit. Auch wir haben auf unseren Reisen schon mehrfach spektakuläre Ausbrüche erleben dürfen. Das ist etwas, das man in der Regel aus sicherer Entfernung und mit Schutzausrüstung gut machen kann, der Höhepunkt einer jeden Vulkanreise.
Die phreatische Dampfexplosion vergangenen Donnerstag war hingegen ein extrem seltenes Ereignis. Es zeigt aber einmal mehr, dass Vulkane unvorhersehbare Sachen machen können.
Generell gehen wir zum Gipfelbereich und zu Ausbruchsstellen und Lavaströmen immer mit autorisierten Bergführern, die den Berg sehr gut kennen und in ständigem Funkkontakt mit den Wissenschaftlern und dem Zivilschutz stehen. Dabei haben wir immer Schutzausrüstung dabei (Helme, Handschuhe, wo nötig auch Atemschutzmaske) sowie angemessene Bergbekleidung wie Bergschuhe, lange (Wander-) Hose etc.
Natürlich lassen sich Unfälle an Vulkanen auch in Zukunft nicht zu 100 % ausschließen. Mit besonnener Herangehensweise, Respekt vor den Grenzen der Natur (wir müssen aus vergangenen Ereignissen lernen!) und unter Beachtung der behördlichen Vorschriften lassen sich diese Risiken aber weitestgehend minimieren. Am Ätna wird man auch in Zukunft wunderschöne Wanderungen mit Vulkanerlebnis unternehmen können! Von Alleingängen raten wir jedem vulkan- und/oder bergunerfahrenen Individualtouristen definitiv ab – abgesehen von den strafrechtlichen Konsequenzen eines solchen Alleinganges!
Wir sind in diesem Jahr noch mehrmals am Ätna: unsere nächsten Reisen dorthin sind im Mai und Juni, aber auch im Herbst (September, Oktober, November) sind wir mit Gruppen in Sizilien und wollen den Ätna besteigen.
Quelle alle Bilder: Il Vulcano a Piedi (Facebook-Seite) / Bergführer am Stromboli & Ätna
Danke für die schöne Zusammenfassung 🙂