Können wir Vulkanausbrüche vorhersagen?
Zuallererst sollte an dieser Stelle nochmals betont werden, dass unsere Erde ein junger und immer noch aktiver Planet ist. Die Erde hat eine im Vergleich zu ihrem Durchmesser sehr dünne Kruste (max. 70 km dick), die auf einem „Erdmantel“ mit Schmelzanteil schwimmt. Das Erdinnere ist immer noch heiß und verursacht Bewegungen, die sog. Plattentektonik. An den Nahtstellen der Krustenplatten treten die meisten Vulkane auf. Es gibt keinerlei Möglichkeit, einen Vulkanausbruch abzuwenden oder seine Art und/oder Dauer zu beeinflussen. Aber trotzdem können wir einiges tun…
Vulkanausbrüche haben im Vergleich zu Erdbeben, die wir heute immer noch nicht – trotz eventuell anders lautender Medienberichte – vorhersagen können, den „Vorteil“, dass sie uns eben nicht überraschen können. Jeder Vulkanausbruch wird von physikalischen Prozessen begleitet, die wir wiederum messen können. Ein Vulkan mag einen imposanten Krater haben, aber tiefer als ein paar Hundert Meter ist der nie. Das bedeutet, dass das Magma bei seinem Aufstieg altes Gestein (=Nebengestein) nach oben oder zur Seite drücken muss.
- Dies verursacht Erdbeben, die wir messen können. Wenn mehrere Seismometer (damit misst man die Erdbebenwellen) an einem Vulkan installiert sind, kann man den Ort des Erdbebens (Hypozentrum) relativ genau lokalisieren und damit feststellen, ob und evtl. in welcher Geschwindigkeit sich die Erdbebenherde nach oben bewegen. Der Erdbebenherd wird bei aufsteigendem Magma in der Regel an der höchsten Position des Magmas angenommen.
- Wenn das Magma Nebengestein zur Seite oder nach oben drückt, dann führt das häufig zu Deformationen der Erdoberfläche, die heutzutage mit GPS (Global Positioning System), EDM (Electronic Distance Measurement) und/oder Nivellierungsmethoden (= Levelling) sehr genau erfasst und quantifiziert werden können.
- Magma ist heiß und enthält Gase. Steigt Magma auf, werden sich zwangsläufig die Zusammensetzung und die Temperatur der austretenden Gase ändern. Das gleiche gilt für eventuelle Kraterseen. Eine veränderte Gaszufuhr verändert die Wasserzusammensetzung, -temperatur und den pH-Gehalt, einen Wert für den Säureanteil.
Also, ein Vulkanausbruch wird in der Regel nicht überraschend eintreten.
In der Regel… Vulkane, die relativ lange Ruhepausen haben, neigen zwar zu einem möglicherweise höheren Gefährdungspotential im Fall einer Reaktivierung (siehe Eifel im Februar 2007!), aber diese Ausbrüche werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Wochen oder sogar Monate vorher wie oben beschrieben ankündigen. Wenn die eruptive Geschichte eines Vulkans gut untersucht ist, vermag man einen sich ankündigenden Ausbruch möglicherweise gut zu charakterisieren und somit angemessene Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Ein gutes Beispiel hierfür sind der Ausbruch der Soufrière Hills auf Montserrat oder die Krise am Merapi Ende 2006. Ein Problem stellt aber die Verantwortung für die Evakuierungsmaßnahmen dar, insbesondere die Entscheidung, wie viele Menschen denn nun effektiv evakuiert werden müssen. Ein Beispiel: Sollte der nächste Ausbruch des Vesuvs so sein wie der von Plinius d. Jüngeren beschriebene Ausbruch von 79 v. Chr., dann müsste man bei der heutigen Bevölkerungsdichte und -verteilung sicherlich mehrere Hunderttausend Menschen evakuieren! [Soweit die Theorie, wie man das praktisch logistisch lösen würde, ist nicht vollständig geklärt! Und es handelt sich ja nicht um wenige Tage… 2 Drittel der Insel Montserrat sind auch in 2007 noch und seit Beginn des Ausbruchs 1995 unbewohnbar!] Sollte der nächste Ausbruch des Vesuv aber wie der letzte Ausbruch sein (1944), dann würde es vermutlich genügen, ein paar Hundert Menschen zu evakuieren.
Die Vulkanologie ist in den letzten Jahrzehnten, speziell seit des Ausbruchs des Mount St. Helens 1980 viel versprechend vorangekommen, aber es gibt immer noch keine verlässlichen Parameter, Dauer und Stärke eines sich ankündigenden Vulkanausbruchs abzuschätzen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass aufsteigendes Magma es nicht immer bis zur Oberfläche schaffen muss, sondern auch in Form einer Intrusion im Vulkan „stecken bleiben“ kann, wenn die physikalischen Bedingungen nicht ausreichen für ein weiteres Aufsteigen. So ein Eindringen von Magma wird auch von Erdbeben begleitet, die anderen oben genannten Auswirkungen können jedoch ausbleiben. Als ein derartiges Phänomen deutet man die seismische Krise am Vulkan Fogo auf São Miguel (Azoren) in den Jahren 2005 und 2006. Vulkanausbrüche an Vulkanen, die praktisch daueraktiv sind oder nur kurze Ruhephasen zeigen, sind schwieriger (wenn überhaupt) oder mit viel kürzeren Vorlaufphasen zu erkennen. Der Ätna zeigte in 2004 und 2006 Ausbrüche, die sich nicht angekündigt hatten. Der Vulkan Piton de la Fournaise hatte im Februar 2007 einen Ausbruch, der sich 20 Minuten vorher ankündigte…
Die beste Schutzmaßnahme vor einem Vulkanausbruch ist immer noch ausreichend Abstand. Aber was kann man tun gegen…:
- Lavaströme: Aufhalten kann man sie nicht, man kann versuchen, sie mit Erdwällen umzuleiten. Dies wurde am Ätna schon häufig und meistens erfolgreich praktiziert. Abkühlen kann man Lavaströme auch, wenn ausreichend Wasser zur Verfügung steht. Im Zusammenhang mit einem abebbenden Ausbruch auf Heimaey (1973) bei Island gelang es damit, ein Schließen der Hafeneinfahrt zu verhindern. Hier wurden Tausende Liter an Meerwasser pro Minute auf den Lavastrom gespritzt. Löschhubschrauber wären wohl so effektiv wie ein Tropfen Wasser auf einen heißen Stein.
Berühmt geworden ist die große Eruption des Ätna von 1991-93: 473 Tage lang (!) überfluteten Lavaströme das Valle del Bove im Osten des Vulkans und bedrohten die tiefer gelegene Ortschaft Zafferana Etnea. Hier gelang es, durch den Bau eines Dammes, sowie durch Zerstörung der Lavatubes (die Lavaströme mussten dadurch wieder oberflächlich fließen und kühlten somit schneller ab), die Ortschaft zu retten.
- Ascheregen: Die Verteilung und Menge an einem Ort hängen stark von den lokalen Winden ab und können sich schnell ändern. Asche ist relativ leicht, aber im Zusammenhang mit Regen wird sie schwer wie Beton und dann können selbst massive Häuser kollabieren. Also: Dach abkehren!
- Pyroklastische Ströme: Kann man vergleichen mit heißen Staublawinen. Sie bleiben meistens in Tälern, aber die dazugehörige Aschewolke kann Talrücken überspringen. Einziger Schutz ist nicht da zu sein!
- Schlammströme (Lahars): Entstehen nach starken Regenfällen auf unverfestigte Asche. Solch ein Schlammstrom tötete 1985 ca. 29.000 Einwohner der kolumbianischen Stadt Armero, nachdem ein Ausbruch 60 km entfernt am Nevado del Ruiz große Mengen des Gipfelgletschers geschmolzen hatte. Beim Ausbruch des Pinatubo (Philippinen) 1991 wurden Zehntausende Menschen zeitgerecht evakuiert und es waren nur wenige Opfer durch den Ausbruch direkt zu beklagen. In den Jahren danach forderten Lahare aber mehrere Hundert Tote (Die Aschemächtigkeit hatte in Vulkannähe mehr als 10 m betragen!). Am Sakurajima (Japan) ist es mittlerweile gelungen, ein betoniertes Kanalsystem so angemessen zu dimensionieren, dass die Lahare in der Regel in den Kanälen bleiben und ins Meer fließen und der Schaden damit gering bleibt.
Vulkanausbrüche können Tod und Leid übers Land bringen. Langfristig gesehen sind vulkanische Böden aber sehr fruchtbar. Dies aber nur bei feinem und verwitterten Material und dem richtigen Klima. Auf den Lavaströmen von 1983 und 1985 an der Südflanke des Ätna wächst auch heute noch nichts außer Flechten und einigen wenigen kleinen Pflanzen. Lavaströme sind Steinwüsten, abhängig vom Klima auf Jahrzehnte hinaus unfruchtbarer Böden. Vulkanausbrüche sind aber auch ein sehr beeindruckendes Naturphänomen unseres noch aktiven Planeten. Wenn man sich einem aktiven Vulkan mit entsprechender körperlicher Verfassung, Vorwissen und der nötigen Bedacht nähert, dann wird man unvergleichliche Momente erleben dürfen!
» Kapitel 4 – Die größten Vulkanausbrüche aller Zeiten