Feuerberge Süditaliens
Tour-Steckbrief
Datum: 18.-25.10.2013
Teilnehmerzahl: 8
Reiseleiter: Florian Becker & Fabian Goldstein
Tourbericht (von Paula Mercier)
Die Reise begann und endete, wo die meisten Reisen beginnen: Am Flughafen. In Italien war Generalstreik angesagt, der öffentliche Verkehr inklusive aller Flüge ab Mittag sollte lahm liegen: Unser Flug wurde davon zum Glück verschont. Angekommen in Neapel traf sich unsere gesamte Gruppe am frühen Nachmittag im Café Beverello. Nach einem herzlichen „Hallo!“ und dem ersten kühlen Getränk machten wir uns entspannt auf nach Pozzuoli. Wir hatten mehr Zeit als gedacht, die italienischen Uhren haben einen geheimnisvollen Mechanismus, manchmal gehen sie langsamer, manchmal schneller, meistens jedoch ersteres und so überrascht es, wenn man pünktlich am Ziel ist.
In Pozzuoli erwartete uns der Vulkan „Solfatara“. Solfatara gehört zu den Phlegräischen Feldern, den „Campi Flegrei“, und belegt die Aktivität der Region: Beim Ausstieg aus dem Taxi kommt einem ein Geruch nach faulen Eiern in die Nase. SO2, Schwefeldioxid tritt hier aus. Was im ersten Moment nicht unbedingt einladend wirkt, ist doch ein wunderschönes Naturphänomen. Heißer Schwefeldampf steigt wie aus einem Teekessel auf und färbt die Steine gelb. Es blubbert in einem matschigen Sumpf und Schwefelkristalle bilden kleine, gelbe Blumenspeere. Nach diesem ersten Erlebnis ging es weiter auf die Fähre, wir verzichteten auf den touristischen Vesuv und wollten zum Stromboli.
Als wir am Samstag auf und in Stromboli ankamen (Insel, Vulkan und Ortschaft heißen zufälligerweise alle Stromboli), war es noch tiefste Nacht. Nach einem Kaffee und einem Cornetto ging es hinauf zur Kirche, Sonnenaufgang genießen. Dieses „Wunder der Geburt“ stimmt jeden in eine besinnliche Stimmung, und wir konnten es jetzt und auch an anderen Tagen in voller Länge auskosten. Tag-Nacht-Wechsel-Begeisterte kommen in jedem Fall auf ihre Kosten. Wir bezogen Zimmer und machten anschließend eine kleine Wanderung durch den Ort, vorbei an der Windmühle von Armin T. Wegner, blühenden Magnolien und einladenden Buchten aus schwarzem Sand. Bis abends stand nun der Tag zur freien Verfügung. Wir konnten uns ausruhen und vorbereiten auf das Highlight des Tages: Die Besteigung des Stromboli.
Um 16h versammelten wir uns, Stöcke, Wasser, Pullover im Gepäck und stapften los. Anfangs glich der Aufstieg mehr einem netten Spaziergang, zusehends wurde der Weg jedoch steiler und felsiger. Sportlich und schwindelfrei sollte man hier schon sein. Unser Bergführer Angelo leitete uns hingegen sicher über jeden Stein. Immer wieder donnerte es dumpf aus dem Vulkan, er spukte Feuer und Wolken stiegen auf. Eine Reise zum Mittelpunkt der Erde. Die Bergziegen sahen das wohl anders, aufmerksam liefen sie etwa 3 m an uns vorbei und würdigten dem Spektakel keinen Blick. Sie sind es wohl gewohnt. Oben am Kamm machten wir eine kleine Pause, zogen uns um und setzen die Helme auf. Hier trafen wir auf viele weitere Gruppen, bisher waren wir allein mit Blick auf den Stromboli-Krater gewandert. Zusehends wurde es dunkler, Taschenlampen an, noch ein Schluck Wasser und weiter ging es Richtung Schlund. Der Wind pfiff uns um die Ohren und auf dem schwarzen Gestein wandernd erreichten wir den Aussichtspunkt. Wie bei einem Konzert saßen wir nun da und warteten, dass die Instrumente erklingen. Den Vollmondschein im Rücken, die Kamera ausgerichtet. Und wir wurden belohnt. Mehrere Male großes Feuergespucke, im Krater links, im Krater rechts, nacheinander, gleichzeitig ? es war fantastisch. Leider verletzte sich eine Frau aus unserer Gruppe beim Abstieg, sie konnte nicht mehr laufen und musste abgeholt werden.
Bedauerlicherweise wurde es auch am nächsten Tag nicht besser, so dass sie und ihr Mann den Rückweg antreten mussten. So machten wir die Inselrundfahrt am nächsten Tag ohne sie und mit einem beklommenen Gefühl. Die Rundfahrt geschah in einem Schlauchboot, auf jeder Welle wippte und spritzte es. Wir umrundeten Strombolicchio, einen erodierten Vulkanschlot, fuhren vorbei an der Sciara del Fuoco, machten einen Zwischenstopp in der Ortschaft Ginostra und wurden schließlich wieder am Hafen abgesetzt. Auch heute stand uns wieder ein freier Nachmittag zur Verfügung, wir konnten im blauen Mittelmeer schwimmen, Sonnenbaden auf der Terrasse, spazieren gehen, ? Am Abend erwartete uns sechs eine Wanderung auf dem Höhenweg hin zum Alten Observatorium. Hinauf, hinunter ging es, wir passierten den neuen und später den alten Friedhof, ein zugewachsenes Mystikum, betrachteten die Sonne, wie sie zwischen den Liparischen Inseln unterging und speisten vorzüglich im Alten Observatorium. Mit Taschenlampen gingen wir die dunklen Straßen zurück zur Pension.
Am Montag standen wir früh auf und nahmen die Fähre nach Vulcano. Es ist eine nette, beschauliche Insel, die Nachbarinsel Lipari ist gut sichtbar. Nachdem wir unser Gepäck bei Freunden in einer Autovermietung untergestellt hatten, ging es ab auf den Vulkan. Auch hier war es ein sportlicher Aufstieg zu meiner Freude: Ich komme zwar aus einer der plattesten Gegenden, der Lüneburger Heide, liebe dennoch die Berge. Die körperliche Betätigung erfreut mich und der Ausblick ist jedes Mal eine wahrhafte Belohnung. In diesem Fall musste die Entlohnung jedoch warten: Zuerst ging es am Kraterrand entlang durch dicke Schwefelwolken. Und auch hier galt, wie schon bei Solfatara: Nase zu, Augen auf. Wundervolle Schwefelkristalle ließen den Gestank vergessen. Ein Schwefelaustritt schöner als der andere und Fotomotive, wo das Auge nur blickte. Die Dampfwolken hinter uns lassend stiegen wir in Serpentinen hinauf zum höchsten Punkt. Eine endlos weite Sicht erwartete uns dort, klarer Himmel und alle Äolischen Inseln waren am Horizont versammelt. Hier verweilten wir ein wenig und setzten schließlich den Weg um den Krater fort. Wir überholten eine französische Schulklasse und tranken frisch gepressten Orangensaft auf halber Strecke an einem kleinem Stand. Unten im Ort wieder angekommen hatten wir noch genug Zeit, um einen Lunch zu uns zu nehmen, bis am Nachmittag die Fähre nach Milazzo fuhr. Ich möchte nicht wissen, wie wir gerochen haben, als wir auf die Fähre kamen. Nur eine aus unserer Gruppe hat sich ein Bad im Schwefeltümpel gegönnt; Sie reiste allerdings nicht mit uns weiter zum Ätna sondern fuhr zurück nach Neapel. Vor nervenden Sitznachbarn konnten wir uns jedenfalls sicher sein. In Milazzo dann war ein Mietwagen gebucht und so fuhren wir auf der Autobahn nach Nicolosi, eine Kleinstadt am Fuße des Ätnas.
Tags darauf wurden wir, gestärkt von einem leckeren Frühstück in der Pension, von Florian in Richtung Ätna chauffiert, um verschiedenes zu besichtigen und zu erkunden. Wir kamen zum Parco dell’Etna und wanderten dort auf geologischen Spuren. Gut erkennbar waren die einzelnen Ausbrüche, je nach dem, ob und wie viele Pflanzen auf der Asche wuchsen, ließ sich das Alter des Oberbodens einschätzen. Eine vielfältige Landschaft fanden wir vor, Kiefernwald neben einer Steinwüste, wunderbare Ausblicke in die Weite und in die Tiefe. Bei einer langgezogenen Spalte kamen wir in eine Diskussion über die Entstehung. Floss hier einst ein Lavastrom? Oder reißt die Erde auf? Später fuhren wir noch zu einer Lavatube: Eine Höhle, in der einst Lava floss, an den Rändern erkaltet, so dass eine Hohlraum entstehen konnte. Dunkel, feucht und besetzt von Fledermäusen war sie, an einigen Stellen ist die Decke so niedrig, dass man nur gebückt laufen kann, doch die Neugierde siegt. Sehr anschaulich sind Prall- und Gleithang zu sehen, die Fließspuren der Lava,… Voller neuer Eindrücke fuhren wir zurück in die Pension.
Doch nicht nur die sollten wir an diesem Tag noch zu verdauen haben. Dienstags haben die meisten Restaurants in Italien geschlossen, so dass wir uns dazu entschieden, in der Pension zu essen. Bisher hatten wir uns mit Pizza und Spaghetti begnügt, heute aber wurde „typisch italienisch“ gespeist. Typisch italienisch? Nun, zu Beginn die Antipasti. Auberginen, Zucchini, kleine Brote. Dann die erste Hauptspeise: Zweierlei Nudeln, mit Pistaziensoße und eingerollt in gegrillte Aubergine. Pistazien, die sind „typisch sizilianisch“, die Stadt Bronte am Ätna kann sich stolz Pistazienhauptstadt Europas nennen. Nun, nach den Nudeln der Secondo: Fleisch mit Kartoffeln und Bohnen. Der Magen war vorher schon gefüllt, doch unhöflich möchte niemand sein. Dann der Nachtisch, dann der Likör. Wir winken schon dankend ab, doch wir haben keine Chance: „È tipico! Tipico siciliano!“ „Es ist typisch! Typisch sizilianisch!“ In unser Bett sind wir, glaube ich gekugelt, ich weiß es nicht mehr genau… Doch: Selten habe ich so lecker gegessen.
Mittwoch war unser letzter gemeinsamer Tag (Donnerstag gingen die Flüge) und es folgte das letzte große Highlight: die Besteigung des Ätna. Vom Abend zuvor fühlten wir uns noch leicht beschwert und unsere Muskeln waren von den vielen Touren etwas beansprucht, so dass wir uns dazu entschieden, mit Seilbahn und Bus bis auf 2800m zu fahren und „nur noch“ die letzten 500m Höhenmeter in dünner Luft zurückzulegen. Es ging durch endlose Geröllfelder, eine Landschaft wie sie auf dem Mars aussehen muss. Wir stiegen westlich der Bocca Nuova hoch, wieder geführt von unserem exzellenten Bergführer Angelo. Es folgte der anstrengendste Teil: An der Flanke der Bocca Nuova wanderten wir etwa 15 Minuten durch eine Wolke von Schwefeldioxid, zwar in nur leichter Konzentration, doch gepaart mit der sauerstoffarmen Luft war dieser Teil wirklich zehrend. Diesen Härtetest überstanden wurden wir belohnt mit günstigen Windverhältnissen und konnten weit hinauf. Wir standen zwischen den Kratern, links der Nordostkrater, rechts La Voragine. Ab und an donnerte und bebte es. Die Erde lebt. Aus den Kratern stiegen dicke Wolken empor (jetzt weiß ich, was ich meinen Kindern einmal erzählen werde, wenn sie mich fragen, woher die Wolken kommen – aus dem Ätna!). Es war fantastisch!
Östlich der La Voragine wanderten wir weiter um die Krater. Auch den Südostkrater bekamen wir zu Gesicht. Wir stiegen weiter hinab und picknickten nebst einer großen Spindelbombe. Auf unserem weiteren Weg durch die Geröllfelder gingen wir nun auf Bombensuche: Die Steine wurden umgedreht auf der Suche nach einer handlichen, wohlgeformten Spindelbombe und für jeden war etwas dabei. Nebenbei hatten wir von einigen Aussichtspunkten eine großartige Sicht hinab zur Küste und bis nach Kalibrien. Den letzten Teil des Abstiegs „fuhren“ wir vorbei an Parasitärvulkanen von 2001 auf einem Aschefeld. Man kommt besonders angenehm und schnell darauf voran, wie in dickem Schnee wurden unsere Schritte gedämpft und in doppelter Geschwindigkeit rutschten wir den Berg hinunter- nicht ohne die dementsprechende Staubentwicklung. Unten angekommen lag uns eine Staub-Schwefel-Mischung auf der Zunge. Auch ein seltener Geschmack. Alles in allem ein bombastischer Tag!
Nun hieß es am Donnerstag Koffer packen. Mit dem Mietwagen fuhren wir nach Catania und bekamen als letztes Schmankerl eine gute Ausbildung von Lavakissen mit Sicht auf die Zyklopenfelsen. Dann hieß es Abschied nehmen. Die Tour hat mir sehr viel Spaß gemacht. Einzig schade fand ich, dass ich etwa 20 Jahre jünger war als der Altersdurchschnitt der Teilnehmer- doch nun, das ist auf jeder Tour anders und lässt sich nicht ändern. Nächstes Mal nehme ich einfach noch jemanden mit. Ansonsten war bis auf den Unfall am Stromboli alles wunderbar: Die Organisation, die Bergtouren, der wissenschaftliche Input, die Atmosphäre innerhalb der Gruppe, das Essen und nicht zuletzt das Wetter.